Kuselit Rezensionen
Kurt Schellhammer - Zivilprozess
Titel: | Zivilprozess | |
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Autor: | Kurt Schellhammer | |
Verlag: | Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm | |
Ort: | Heidelberg | |
Jahr: | 2010 | |
Seiten: | 980 | |
Preis: | 94,95 | |
ISBN: | 978-3-8114-4904-6 | |
Internet: | http://www.huethig-jehle-rehm.de/ | |
Rezensent: | RiArbG Thomas Lakies, Berlin | |
Quelle: | Kuselit Verlag GmbH |
Kurt Schellhammer
Zivilprozess. Gesetz : Fälle : Praxis
13. Aufl. Heidelberg 2010. ISBN 978-3-8114-4904-6
Schellhammer (Jahrgang 1935) ist ein Altmeister des Zivilprozessrechts. Hier schreibt kein Professor des Rechts, sondern ein Praktiker. Man merkt dem Buch die jahrzehntelange Erfahrung als Prozessrichter und als Ausbilder von Rechtsreferendaren an. Der Autor versteht es, den Zivilprozess praxisnah, verständlich und anschaulich zu erläutern. Der Zivilprozess ist kein Selbstzweck, kein Verfahren um seiner selbst willen, sondern es dient der Durchsetzung des materiellen Rechts.
Der Autor orientiert sich beim
Aufbau des Buches am Gang des Zivilverfahrens. Ausgehend von der Vorbereitung
der Klage und der Klageschrift beschreibt er zunächst den „Normalprozess“
erster Instanz. Die besonderen Klagearten (wie Stufenklage, Klage auf künftige
Leistung, Feststellungs- , Gestaltungs-, Abänderungs-, Vollstreckungsabwehr-
und Drittwiderspruchsklage) werden ebenso eingängig dargestellt wie der weitere
Gang des Prozesses (schriftliches Vorverfahren, Vorbereitung des Haupttermins,
mündliche Verhandlung und Verhandlungsführung, Beweisaufnahme, einschließlich
Vernehmungstechnik und Beweiswürdigung). Der Prozessvergleich (einschließlich
Methode der Vergleichsverhandlungen) sowie das Urteil und dessen
Rechtswirkungen werden ausführlich und jederzeit nachvollziehbar mit vielen
Beispielsfällen aufbereitet. Das Buch befasst sich sodann mit allen weiteren
wichtigen Fragen des Zivilprozesses, etwa: Berufung und Revision, die Parteien
und ihre Vertreter, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten und die Abgrenzung zu
anderen Gerichtszweigen, die sachliche, örtliche und internationale
Zuständigkeit des Zivilgerichts. Schließlich werden Abweichungen vom
„Normalprozess“ dargestellt (Säumnis, Anspruchshäufung, Widerklage,
Streitgenossenschaft, Streitverkündung und Streithilfe, Klageänderung,
Parteiwechsel, Klagerücknahme, Erledigung der Hauptsache, Prozessstillstand)
und besondere Verfahren (Amtsgerichtsprozess, Prozesskostenhilfe, selbständiges
Beweisverfahren, Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess, Mahnverfahren, Arrest
und einstweilige Verfügung). Neu eingefügt in der 13. Auflage wurde als
„43. Teil“ das neue ZPO-Verfahren für Wohnungseigentumsstreitigkeiten.
Weit über 100 Beispielsfälle,
zahlreiche Muster für Klageanträge, Urteilsformeln und Vergleichsprotokolle
sowie einprägsame Schaubilder und Übersichten runden die Darstellung ab. Das
54seitige Inhaltsverzeichnis erleichtert die Orientierung im Buch. Das Buch ist
didaktisch geschickt aufbereitet. Der komplexe Stoff wird anschaulich
dargestellt. Besonders beeindruckend ist die klare Sprache. Man findet kaum ein
juristisches Fachbuch, dass sich so gut lesen lässt wie Schellhammers
„Zivilprozess“. Die Darstellung ist nicht trocken, obgleich viele meinen, es
handele sich um eine spröde Materie. Beispiele gefällig?
„Die Würde des Gerichts, was immer
sie bedeute, verträgt viel. Ruhe und Ordnung im Sitzungssaal sind nicht die
höchsten Werte ... Es ist schon psychologisch falsch, aufgeregte Parteien mit
kleinlicher Sitzungspolizei zu schikanieren. Die Emotionen, die der Streit
aufstaut, müssen sich in der Verhandlung entladen können. Der Vorsitzende legt
nicht jedes Wort auf die Goldwaage, fährt der Partei nicht vorschnell in die
Parade.“ (Rn. 498)
„Der Zeuge soll möglichst schnell
vergessen, dass er vor Gericht steht. Ein freundlicher Gruß knüpft den ersten
Kontakt und bestimmt das Vernehmungsklima.“ (Rn. 621)
„Der Richter redet und fragt so,
dass der Zeuge in verstehen kann: einfach, klar und anschaulich, in kurzen,
präzisen Sätzen. Die Parteien und Anwälte nennt er beim Namen.“ (Rn. 626)
„Der Richter schuldet den Parteien
ein verständliches Urteil, keinen Orakelspruch und keine wissenschaftliche
Abhandlung. Klar gedacht lässt sich jeder Gedanke einfach und verständlich
ausdrücken. Vielleicht wirkt er dann banaler, als dem Verfasser lieb ist, aber
Gedanken sind häufig banal, kompliziert sind nur die Formulierungen. Eine
dunkle Formulierung vertieft aber den Gedanken nicht, sondern zerstört ihn.“
(Rn. 825)
Als Lehrbuch des Zivilprozesses in
der praktischen Anwendung ist Schellhammers Buch quasi konkurrenzlos.
Insbesondere junge Rechtsanwälte und Richter werden es gerne heranziehen, um
die Scheu vor der schwierigen Materie zu überwinden. Auch ältere Anwalts- und
Richterkollegen können es mit Gewinn zu Rate ziehen – die Lektüre kann man
durchaus als kurzweilig empfehlen. Es ist zu hoffen, dass Schellhammers
Schaffens- und Formulierungskraft noch für weitere Auflagen reicht.
Thomas Lakies
Richter am Arbeitsgericht, Berlin